Auf dieser Seite finden Sie in der Regel Gedanken zum Sonntag oder eine ausformulierte Predigt sowie ein Segensgebet.
Die Predigten hier können in Form und Inhalt von den Predigten im Gottesdienst abweichen.
Am ersten Sonntag im Monat findet um 9 Uhr in Borken und am dritten Sonntag im Monat um 11 Uhr in Homberg ein Kindergottesdienst statt.
Die Lesungstexte der Sonn- und Wochentage finden Sie unter:
Als "Gedanken zum Sonntag" können Sie den Text der Morgenfeier lesen, die von Pfarrer Peter Göb gestaltet wurde.
Die Morgenfeier wurde am 8. September um 7:30 Uhr im Hörfunkprgramm hr2-Kultur ausgestrahlt.
Üben den untenstehenden Link gelangen sie zur Sendung.
Morgenfeier
Sonntag, 8. September 2024, hr2-Kultur
Bibeltext: Markus 7,31-37
Peter Göb, Homberg (Efze)
Christus-Epheta – Kirche öffne Dich
Der Name einer Kirche als Programm für das eigene Leben. Das empfindet Pfarrer Peter Göb aus Homberg (Efze), wenn er an den Namen seiner Kirchengemeinde denkt. Epheta heißt sie, und bedeutet: öffne Dich: Dies ist sein täglicher Ansporn, seine tägliche Herausforderung, Ja zu sagen zu Gottes Auftrag an uns. Wir sind eingeladen mitzumachen, uns zu öffnen.
Wir alle tragen
einen Namen. Unseren Namen haben vermutlich Eltern, Großeltern oder andere
Menschen ausgewählt.
Manche Namen gelten als modern, andere als veraltet. Die Zeiten ändern sich.
Auch Kirchen
tragen einen Namen. Dabei gibt es Klassiker.
Sie sind Christus, dem Erlöser geweiht oder heißen zum Beispiel „Christkönig“.
Viele tragen den Namen Mariens: St. Maria, St. Marien, Maria Königin oder etwas
Ähnliches.
Je nach Region sind manche Heilige und damit Kirchennamen besonders beliebt. Viele Kirchen tragen den Namen des heiligen Bonifatius, der Heiligen Elisabeth, des heiligen Petrus.
Es gibt aber auch ungewöhnliche Namen.
Eine der
Kirchen, für die ich tätig bin, sie steht in Homberg (Efze),
trägt einen eher ungewöhnlichen Namen: Sie heißt: Christus-Epheta. 1957 wurde
sie geweiht.
Der Name der Kirche steht in Verbindung mit einer Schule für Hörgeschädigte Kinder und Jugendliche. Seit fast 200 Jahren gibt es diese Schule in der Nähe der Kirche. Ein Schild an der Kirche besagt, dass die Christus-Epheta Kirche in Homberg die „Patenkirche für die Gehörlosen in Deutschland“ ist.
Christus-Epheta: ein einmaliger Name. Mir ist keine zweite Kirche bekannt, die diesen besonderen Namen trägt. Christus-Epheta.
Öffne Dich – ein täglicher Ansporn für unseren Glauben
Epheta, das heißt übersetzt:
Öffne Dich. Es ist ein aramäisches Wort, das Jesus selbst gesagt hat.
Im Evangelium
des heutigen Sonntags sagt er es einem Taubstummen. Dieser wird von anderen zu
Jesus gebracht. Der Evangelist Markus berichtet im siebten Kapitel seines
Evangeliums davon. Da heißt es:
Da brachten sie zu Jesus einen, der taub war und stammelte, und baten ihn,
er möge ihm die Hand auflegen. Jesus nahm ihn beiseite, von der Menge weg,
legte ihm die Finger in die Ohren und berührte dann die Zunge des Mannes mit
Speichel; danach blickte er zum Himmel auf, seufzte und sagte zu ihm: Effata!
Das heißt: Öffne dich! Sogleich öffneten sich seine Ohren, seine Zunge wurde
von ihrer Fessel befreit und er konnte richtig reden…“
Effata – öffne dich.
Durch dieses Wort Jesu werden dem Taubstummen Ohren und Mund geöffnet. Er wird geheilt, er konnte wieder richtig reden. Die beschriebene Szene des Evangeliums ist außen an der Homberger Kirche sichtbar und etwas abgewandelt dargestellt. Ein großes Mosaik ist an der Fassade angebracht. Unter dem Schriftzug „Epheta“ zeigt die Hand Gottes auf Jesus. Auf der Höhe seiner rechten Hand ist die Heilig-Geist-Taube dargestellt. Mit der anderen Hand heilt Jesus zwei gehörlose Kinder. Eine thematische Brücke zur Schule für die Hörgeschädigten in der Nähe der Kirche.
Für mich ist dieses Mosaik an der Kirche und der Ausruf „Effata – Öffne dich“ immer wieder eine Einladung und ein Ansporn.Es geht mir dabei um eine Haltung der Offenheit. Wir hören oft nur das, was wir hören wollen. Wir nehmen oft nur das wahr, was wir wahrnehmen wollen. Unsere Wahrnehmung ist selektiv, bedingt durch viele Faktoren, auch durch die eigene Biografie.
Mir kommen Fragen in den Sinn. Fragen wie: Wo bin ich verschlossen? Wo höre ich nicht richtig hin? Wo bleibt mein Mund stumm, obwohl er reden sollte? Was verstopft meine Ohren, was blendet meine Augen, was drängt an meine Sinne? Was belastet mein Herz?
Und überhaupt: Wo verschließe ich meine Sinne, wo bin ich „sinn-los“ in meinem Leben unterwegs.
Der große Schriftzug „Effata“ ist dann an mich persönlich gerichtet. Öffne dich. Sei mit wachen Sinnen unterwegs. Unterwegs in dieser Welt und in unserer Zeit. Und das in mehrfachen Bezügen.
Öffne dein Herz und deinen Verstand, öffne deine Sinne und öffne dann auch deinen Mund, um Stellung zu nehmen. Effata – öffne dich und sei immer offen für den Glauben, für das Wort Gottes. Was will Gott dir, was will Gott uns heute, in dieser Zeit sagen? Was ist Sein Auftrag für uns?
Diese Offenheit für Gottes Wirken in der Welt und in uns halte ich für bedeutsam. Wo wirkt Gott in meinem Leben? Wo habe ich Gottes Wirken in den letzten Tagen und Wochen erlebt? Und was will Gott in dieser Zeit von mir konkret?
Effata- Öffne dich. Der Name der Kirche und das Mosaik an der Fassade sind immer auch Anstoß für Fragen: Wo kann ich mich öffnen? Wo möchte und kann ich geheilt werden? Was sollte Jesus bei mir berühren, wo mich anstoßen, damit etwas offen wird, damit ich offen oder offener sein kann.
Öffne Dich – das ist Gottes Auftrag an uns
Die Beantwortung
der Fragen kann mir niemand anderes abnehmen. Ich kann mich mit anderen
austauschen, gemeinsam auf die Suche nach dem Willen Gottes machen. Letztlich
aber muss ich die Frage, was Gott von mir heute will, wo ich meinen Auftrag
sehe, selbst beantworten. Von der Antwort kann ich dann ins Handeln oder auch
ins Lassen kommen. Auch das muss ich verantworten können.
Effata- Öffne
Dich.
Die Bitte um Öffnung und Offenheit ist nicht nur an mich oder einzelne Menschen
gerichtet. Sie gilt auch einer Gemeinschaft, der Gemeinde. Die Bitte um Öffnung
und Offenheit gilt dann auch für die Kirche als Ganze. Auch sie braucht immer
wieder Offenheit für die anderen Menschen, dass wir sie und ihre Situation
wahrnehmen.
Es braucht Offenheit für diese Welt und die Entwicklungen in ihr: politisch, gesellschaftlich. Wo Demokratie und Freiheit bedroht sind, wo Menschen sprachlich unsichtbar gemacht werden, wo Leistung mehr zählt als Sein als solches. Es braucht die Offenheit für Menschen anderer Kulturen und Erfahrungen.
Und die Kirche benötigt die Offenheit für Gottes Wille in unserer Zeit. Was will Gott von der Kirche heute ganz konkret? Die Kirche steht vor vielen Herausforderungen. Um mit diesen gut umzugehen, braucht es zunächst das Hören, dann das Unterscheiden und schließlich das Umsetzen ins Handeln oder Lassen.
Die
Christus-Epheta Gemeinde in meiner Stadt in Homberg kann in diesem Jahr ein
Jubiläum feiern. „125 Jahre Katholische Kirche nach der Reformation.“ Das ist
bedeutend! Hintergrund ist die Tatsache, dass von Homberg die Reformation in
der damaligen Landgrafschaft ausging. Auf der Homberger Synode im Oktober 1526
wurde die Reformation im heutigen Hessen eingeleitet.
In der Folge wurden die Kirchen nicht mehr für katholische Gottesdienste
genutzt.
Dennoch: In Homberg wurde nach über 370 Jahren ohne katholisches Gotteshaus im Juni 1899 eine kleine Kapelle geweiht. Sie wurde für die damals wenigen katholischen Christen in Homberg zu einer Keimzelle des Glaubens und der Gemeinschaft. Später wurde diese Kapelle erweitert. Heute ist sie Teil eines Altenpflegeheimes. Eine neue Kirche wurde 1957 geweiht, die Christus-Epheta Kirche.
Dass vor 125 Jahren eine Kapelle gebaut werden konnte, ist einer besonderen Frau zu verdanken. Theresia Breiding. Sie kam als junge Frau nach Homberg, heiratete einen Bäcker und konnte im Laufe der Zeit immer wieder Geld zur Seite legen. Sie, die als junge katholische Frau in das evangelisch geprägte Homberg kam, hatte eine Vision. Sie war offen für das Wort Gottes. Sie nahm sonntags eine Strecke von knapp 20 km zu Fuß auf sich, um an einer Messe teilnehmen zu können. Theresia Breiding erkannte die „Zeichen der Zeit“. Sie überlegte, wie sie ins Handeln kommen konnte. Sie hatte die Ausdauer und die Zielstrebigkeit, ihre Vision von einer kleinen Kapelle in die Tat umzusetzen.
Den Erwerb des
Grundstücks erlebte Theresia Breiding noch, die Einweihung der Kapelle im Jahr
1899 nicht, sie starb wenige Monate zuvor.
Öffne Dich – und wirke
Den Jahrestag der Einweihung der Kapelle war und ist Anlass, in besonderen Gottesdiensten und Veranstaltungen immer wieder den Ruf „Effata – öffne dich“ – hervorzuheben. Dazu durften und dürfen wir besondere Gäste begrüßen. Die Generaloberin der Oberzeller Franziskanerinnen, Sr. Dr. Katharina Ganz, stellte dieses Wort in den Mittelpunkt ihrer Ansprache. Sie zeigte auf, dass dort, wo Menschen offen für Gottes Wort sind, sie vieles bewegen und verändern können. Wo diese Offenheit jedoch fehlt, bleiben Menschen, Organisationen und Strukturen in verkrusteten und verhärteten Bahnen.
Der Fuldaer
Bischof Dr. Michael Gerber erinnerte in seiner Festpredigt am Pfarrfest an
Theresia Breiding und an ihr Wirken.
Er rief ins Gedächtnis, dass die Zukunft unserer Kirche wesentlich von Menschen
geprägt sein werde, die ihren Glauben, ihre Vision einbringen und leben. Er
rief auf, dass wir in unserer Zeit zu Visionsträgerinnen und -trägern werden.
Heute Nachmittag ist Propst Dr. Volker Mantey, Propst des Sprengels Marburg der Evangelischen Kirche Kurhessen-Waldeck, zu Gast. Er bringt damit die jahrzehntelange ökumenische Geschwisterschaft und Offenheit in unserer Reformationsstadt Homberg zum Ausdruck.
Effata – Lernen aus der Geschichte, Offenheit für Neues, und gemeinsam den Glauben vor Ort bezeugen und leben – wichtige Hinweise, immer wieder.
In unserer
Christus-Epheta Kirche steht, wie in katholischen Kirchen üblich,
eine Madonna. Sie wurde vor vielen Jahrzehnten vom damaligen Pfarrer erworben.
Diese Madonna wurde von Alfons Vogt geschnitzt. Alfons Vogt ist inzwischen 92
Jahre alt und lebt in der badischen Stadt Oberkirch.
Alfons Vogt ist hörgeschädigt, in der Sprache des Evangeliums von heute: Er ist taubstumm. Eine Infektionskrankheit, die er als Kind bekam, führte zu dieser Einschränkung.
Mit den Ministrant*innen unserer Gemeinden konnten wir Alfons Vogt vor einigen Wochen besuchen. Die Werkstatt, in dem er die Madonna geschnitzt hat, öffnete uns die Türen für einen Besuch, einen Blick ins Atelier und das Gespräch mit dem Künstler.
Es ist faszinierend zu erleben, wie Alfons Vogt sich noch gut an das Schnitzen der Madonna erinnern kann. Er hat mit Freude und Enthusiasmus davon erzählt. Es war ein eindrucksvoller Besuch für alle Beteiligten: Für den taubstummen Holzschnitzer und für die Jugendlichen.
Ein
hörgeschädigter Künstler, der für die Patenkirche der Gehörlosen,
die Kirche Christus-Epheta eine Madonna schnitzt. Ein besonderes Zeichen, eine
intensive Verbindung und ein wertvolles Detail der Homberger Kirche, das Viele
beeindruckt.
Öffne Dich - eine ständige Herausforderung
Effata – öffne dich. Ein Aufruf, eine Einladung, ja eine Aufforderung Jesu.
Effata – öffne
dich. In der Christus-Epheta Kirche ist er Name und Programm.
Offenheit steht uns gut. Und ich bin dankbar für die Offenheit von Menschen.
Es ist gut, wenn Menschen offen für ihre Fähigkeiten, für die Talente, sind, die ihnen geschenkt sind. Es ist gut, wenn Menschen sich für Neues und Ungewohntes öffnen.
Kirche, Gemeinde von heute, im Sinne Jesu erlebe ich dann, wenn alle darin Platz haben und willkommen sind. Menschen, die traditionell im Glauben zu Hause sind, Menschen, die sich nach neuen Formen für die Gottesdienste sehnen.
Die Offenheit für Gottes Wort, für uns selbst, zu pflegen, ist eine ständige, nicht immer einfache Aufgabe.
Ich darf mir dazu am Evangelium ein Beispiel nehmen. Jesus berührt den Taubstummen. Heute darf ich mich berühren lassen, ich darf mich öffnen lassen. Von seinem Wort, von der Begegnung mit anderen Menschen.
Diese Offenheit wünsche ich Ihnen an diesem Sonntag und in Ihrem Leben, dass wir uns immer sagen lassen: Effata – öffne dich.
Peter Göb
Gott,
segne unsere Ohren und unsere innere Offenheit,
damit wir dich in uns vernehmen!
Segne unseren Mund und unsere Stimme,
damit man dich durch uns wahrnehmen kann!
Segne unser Tun und das Werk unserer Hände,
damit wir selbst zum Segen für andere werden.
So segne euch Gott,
der Vater,
der Sohn und der Heilige Geist. Amen.
© Christus Epheta, Homberg (Efze) - Christkönig, Borken (Hessen)